Geschichte
Satzungsgemäß befasst sich der Landesverband Sachsen der Entomofaunistischen Gesellschaft e.V. mit der Erforschung der Insektenfauna in Sachsen und der Erhaltung wertvoller Lebensräume für diese Tiergruppen. Dies geschieht weitestgehend auf ehrenamtlicher Basis.
Die Entomologie hat in Sachsen eine lange Tradition. Im Jahre 1799 erschienen gleich zwei Faunen, die die Insekten Sachsens zum Inhalt haben. Während das Verzeichnis von V. BLOCK („Verzeichniß der merkwürdigsten Insekten, welche im Plauischen Grunde gefunden werden) in mehreren Publikationen jüngeren Datums ausgewertet wurde (NÜSSLER 1996, 1998, 1999, KLAUSNITZER 1998, ZERCHE 2000), wurde die „Erste Aufzählung der bis jetzt in Sachsen entdeckten Insekten“ von LUDWIG weniger beachtet (z. B. KLAUSNITZER 2000). Beide Arbeiten entstanden sicher unter dem belebenden Einfluß der Werke von LINNÉ, FABRICIUS, PANZER u. a. Die Arbeit LUDWIGs stellt die erste zusammenhängende Entomofauna von Sachsen dar und führt z.B. 1043 Arten Coleoptera auf. Im späten 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden für sächsische Regionen Faunenlisten erstellt, z. B. Schmetterlingsfaunen der Oberlausitz (MÖSCHLER 1858 … 1871, SCHÜTZE 1895 … 1902), der Umgebung von Dresden (STEINERT 1891 … 1896), des Leipziger Gebietes (REICHERT et al. 1900, 1906), des Gebietes um Chemnitz (PABST 1884 … 1902) und auch des Vogtlandes (SCHWEITZER 1913). Alle diese Arbeiten (teilweise unveröffentlichte Manuskripte) sind in das von MÖBIUS (1905) zusammengestellte Werk „Die Großschmetterlinge des Königreiches Sachsen“ eingegangen. Für die Familien der sog. Kleinschmetterlinge fehlte bislang eine landesweite Zusammenstellung.
Das Wissen über die Netzflügler i.w.S. wurde für Sachsen bereits im vergangenen Jahrhundert zusammengefaßt (ROSTOCK 1868, 1874, 1879), ebenso existiert eine frühe Zusammenstellung der Eintagsfliegen und Staubläuse (ROSTOCK 1878). Auch für einige weitere Insektenordnungen liegen zusammenfassende Bearbeitungen aus früherer Zeit vor, von denen besonders auf die Faunen für die Libellen (SCHIEMENZ 1954), Heuschrecken, Ohrwürmer, Schaben (SCHIEMENZ 1966) und der Wanzen (JORDAN 1963) hingewiesen sei.
Eigenartigerweise gibt es keine Käferfauna Sachsens, obwohl gerade über diese Insektenordnung aus fast allen deutschen Ländern ältere Verzeichnisse vorliegen. Hervorragende Lokalfaunen, z.B. die von ERMISCH & LANGER (1935) über das sächsische Vogtland sind für heutige Bestandsaufnahmen eine wesentliche historische Quelle.
Eine weitere Epoche faunistischer Forschungs- und Veröffentlichungstätigkeit schließt sich Ende der 60er Jahre im Zusammenhang mit den ersten „Beiträgen zur Insektenfauna der DDR“ an, in deren Folge auch später noch einzelne „Beiträge zur Insektenfauna Ostdeutschlands“ erschienen sind. Eine Auflistung der einzelnen Arbeiten würde hier den Rahmen sprengen.
Zu Beginn der 90er Jahre reifte der Gedanke, eine „ENTOMOFAUNA SAXONICA“ zu erarbeiten und die sächsischen Entomologen zur Fortsetzung der Freizeitforschung auf diesem Gebiet zu motivieren. Ein Forschungsprojekt wurde zunächst für einen Zeitraum bis 1999 konzipiert . Zu diesem Zweck wurden 1994 im Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie (LfUG) Fördermittel beantragt und auch bewilligt. Somit war zunächst eine finanzielle Unterstützung für den Zeitraum 1994 – 1995 gesichert. Durch das LfUG erfolgte die fachliche Begleitung dieses Projektes.
Damit konnte die entomologische Freizeitforschung in Sachsen auf ein völlig neues Niveau gehoben werden.
Methodik
Zunächst sollte ein Überblick über die historischen und aktuellen Vorkommen erarbeitet und ein Verbreitungsbild auf regionaler Ebene von möglichst vielen Insektenarten (-gruppen) sowie der Spinnen und Weberknechte, welche in die Bearbeitung mit einbezogen wurden, erstellt werden.
Fernerhin war abzuschätzen, wie viele Insektenarten im Freistaat Sachsen vorkommen könnten. Die meisten Insektenordnungen der sächsischen Fauna wurden bisher nur lückenhaft und unzureichend bearbeitet, so daß wir keine genauen Kenntnisse darüber haben, wie viele Arten im Freistaat Sachsen vorkommen.
Die Grundlagenarbeit erfolgte in 3 Schritten.
Schritt 1: | Erstellung von Checklisten für möglichst alle diejenigen Gruppen, für die ein kompetenter Bearbeiter zur Mitarbeit gewonnen werden konnte. |
Schritt 2: | Erarbeitung „Kommentierter Verzeichnisse“ für viele Insektengruppen (incl. Spinnen und Weberknechte). Die „Kommentierten Verzeichnisse“ wurden nach einheitlichem Schema (KLAUSNITZER & REINHARDT 1994) abgefasst, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Damit war eine wichtige Basis für weiterführende spezifische Kartierungsarbeiten sowie ein Hilfsmittel für die Naturschutzbehörden zur Beurteilung von Artenlisten und Maßnahmen in Gutachten und Planungen und die Grundlage für die Erarbeitung weiterer Roter Listen gegeben.Neben der Erarbeitung der Verzeichnisse wurde eine bibliographische Übersicht der sächsischen entomologischen Literatur angefertigt. Außerdem waren Recherchen zum Verbleib und zum Umfang älterer sächsischer Sammlungen in öffentlichen Einrichtungen erforderlich. |
Schritt 3: | Erstellung von Verbreitungskarten für ausgewählte Gruppen. Darauf aufbauend ist vorgesehen, in weiteren Schritten spezielle Schutzprogramme für ausgewählte Arten zu erarbeiten. Die beiden ersten Schritte konnten relativ kurzfristig (Bearbeitungszeitraum 1994/95) realisiert werden, da auf jahrzehntelange Vorarbeiten zurückgegriffen werden konnte. Der nachfolgende Bearbeitungsablauf wird sich über mehrere Jahre erstrecken.Dem Aufruf zur Mitarbeit an diesem Projekt folgten zeitweise 160 Entomologen aus Sachsen und darüberhinaus. |
Die Schritte 1 und 2 sind zwar im Rahmen des geförderten Projektes abgeschlossen, sollen aber fortgesetzt werden.
Für eine teilweise Bearbeitung des Schrittes 3 gab es eine Projektförderung durch den Freistaat Sachsen für die Jahre 1997 und 1998.
Titel dieses Projektes war die „LANDESWEITE REPRÄSENTATIVE, ORTSGENAUE ERFASSUNG AUSGEWÄHLTER, NATURSCHUTZRELEVANTER INSEKTENGRUPPEN SOWIE BENENNUNG VON GEBIETEN MIT BESONDERER BEDEUTUNG FÜR DIE ENTOMOFAUNA IN SACHSEN“ mit folgenden spezifischen Aufgaben:
A | Landesweite, ortsgenaue Erfassung der Libellen und Heuschrecken im TK 25(N)-Raster (erfolgte im TK 10(N)-Raster) |
B | Landesweit repräsentative Erfassung von ca. 80 ausgewählten, naturschutzfachlich bedeutsamen Insektenarten (insbesondere aus den Artengruppen Laufkäfer, Tagfalter und Widderchen, Schröter, Bockkäfer, Wildbienen) einschließlich der Aufbereitung vorliegender Daten |
C | Benennung, Abgrenzung und Charakterisierung von Gebieten mit besonderer Bedeutung für die Entomofauna in Sachsen |
Ergebnisse
Derzeit sind bezogen auf den Freistaat Sachsen mehr als 11.000 Insektenarten (fast die Hälfte des sächsischen Bestandes) bezüglich ihrer allgemeinen Verbreitung in Sachsen bearbeitet. Für die meisten naturschutzrelevanten Gruppen liegen „Kommentierte Verzeichnisse“ vor, bisher für ca. 3.000 Arten.
Die Ergebnisse wurden mit wenigen Ausnahmen in den „Mitteilungen Sächsischer Entomologen“ (MSE) veröffentlicht.
Im Ergebnis der Realisierung der ersten beiden Arbeitsschritte konnte auch die Anzahl der in Sachsen nachgewiesenen Arten innerhalb der bearbeiteten Ordnungen präzisiert werden und ist übersichtlich in nachfolgender Tabelle dargestellt. Geschätzter bzw. tatsächlicher Artenbestand (nach Bearbeitung im Rahmen des Projektes) sächsischer Insekten und Arachnida (offene Liste)
Abkürzungen:* Ordnung wurde im Rahmen des Projektes „Entomofauna Saxonica“ teilweise bearbeitet** Ordnung wurde im Rahmen des Projektes „Entomofauna Saxonica“ vollständig bearbeitetohne * z.Z. (noch) kein Bearbeiter
Ordnung | Symbol | Bearbeitung | Artenzahl | Quelle |
Doppelschwänze (Diplura) | DLU | ** | 4 | SCHULZ & DUNGER (1995) |
Beintastler (Protura) | PRO | ** | 5 | SCHULZ & DUNGER (1995) |
Springschwänze (Collembola) | CLL | ** | 221 | SCHULZ & DUNGER (1995) |
Felsenspringer (Archaeognatha) | ARG | ** | 0 | SCHULZ & DUNGER (1995) |
Fischchen (Zygentoma) | ZYT | ** | 1 | SCHULZ & DUNGER (1995) |
Eintagsfliegen (Ephemeroptera) | EPH | ** | 66 | BRAASCH (1995) |
Libellen (Odonata) | ODO | ** | 67 | BROCKHAUS & FISCHER (2000) |
Steinfliegen (Plecoptera) | PLE | ** | 74 | KÜTTNER et al. (1995) |
Langfühlerschrecken (Ensifera) | ENS | ** | 25 | BÖRNER (1995) |
Kurzfühlerschrecken (Caelifera) | CAE | ** | 30 | BÖRNER (1995) |
Ohrwürmer (Dermaptera) | DER | ** | 7 | MATZKE (1995) |
Schaben (Blattariae) | BLA | ** | 4 (ohne synanthrope Arten) |
MATZKE (1995) |
Staubläuse (Psocoptera) | PSO | 80 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung | |
Tierläuse (Phthiraptera) | PHT | 200 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung | |
Fransenflügler (Thysanoptera) | THY | 200 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung | |
Pflanzenläuse (Sternorrhyncha) | HOM | 1140 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung | |
– Blattflöhe (Psyllina) | PSY | 75 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung | |
– Mottenschildläuse (Aleyrodina) | ALE | 8 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung | |
– Schildläuse (Coccina) | CCC | 60 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung | |
– Blattläuse (Aphidina) | APH | 650 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung | |
Zikaden (Auchenorrhyncha) | CIC | ** | 399 | WALTER & EMMRICH (1995) |
Wanzen (Heteroptera) | HET | ** | 619 | ARNOLD (1999) |
Schlammfliegen (Megaloptera) | MEG | ** | 2 | KLEINSTEUBER (1994) |
Kamelhalsfliegen (Raphidioptera) | RAP | ** | 8 | KLEINSTEUBER (1994) |
Netzflügler (Planipennia) | PLA | ** | 67 | KLEINSTEUBER (1994) |
Käfer (Coleoptera) | COL | * | 4385 | KÖHLER & KLAUSNITZER (1998) |
Fächerflügler (Strepsiptera) | STR | 45 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung | |
Hautflügler (Hymenoptera) | HYM | * | 8000 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung |
Köcherfliegen (Trichoptera) | TRI | ** | 194 | CHRISTIAN et al. (1995) |
Schmetterlinge (Lepidoptera) | LEP | * | 2520 | PIMPL & REINHARDT (1995) +HEINICKE & GAEDICKE (1999) |
Schnabelfliegen (Mecoptera) | MEC | ** | 7 | KLEINSTEUBER (1994) |
Zweiflügler (Diptera) | DIP | * | 6000 | KLAUSNITZER (1994) – Schätzung |
Flöhe (Siphonaptera) | SIP | ** | 48 | STRIESE (1996) |
Weberknechte (Opiliones) | OPI | ** | 27 | TOLKE & HIEBSCH (1995) |
Webespinnen (Araneae) | ARA | ** | 607 | TOLKE & HIEBSCH (1995) |
Summe |
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